That in between feeling – Meine Rückkehr nach Kanada nach über 15 Jahren
Seit eineinhalb Jahren arbeite ich nun bei TASTE, der
Organisation, die mich vor 23 Jahren das erste Mal nach New Sarepta in Alberta, Kanada gebracht hat. Ich hatte damals eigentlich den Plan für ein Schuljahr in die USA zu gehen, doch als ich mich im TASTE Büro über das High School Programm informierte, wurde mir auch Kanada als mögliches Gastland vorgeschlagen. Ich dachte mir: „Super, über Kanada weiß ich eigentlich noch gar nichts, da gehe ich hin!“. Somit hatte ich vor meiner Ankunft auch keine wirkliche Vorstellung, was mich dort erwartet. Ohne Google Maps, Instagram oder YouTube und das Internet an sich, wusste ich nur das, was ich von TASTE und CHI durch die Bewerbungsunterlagen meiner zukünftigen Gastfamilie erfahren habe. Dass meine Gastmutter Schulsekretärin an der örtlichen High School und mein Gastvater Handwerker und ist sie in New Sarepta wohnten, einem 400 Einwohner-Dorf in der Nähe von Edmonton, der Hauptstadt der westkanadischen Provinz Alberta. Und dass meine Gasteltern 2 erwachsene Töchter haben, die nicht mehr im Haus wohnen. Natürlich waren Fotos dabei und ein Brief der Familie, aber so richtig vorstellen konnte ich mir nicht, wie die Familie lebt. Aber das sollte ich ja bald erfahren.
Ich besuchte meine Gastfamilie in den folgenden Jahren auch noch drei Mal und hielt über Facebook und Instagram immer den Kontakt zu ihnen und einigen Freunden, doch habe ich meinen ursprünglichen Plan in Kanada zu studieren und auszuwandern letztendlich doch nicht verwirklicht. Da mir aber die englische Sprache so sehr fehlte, ermöglichten mir meine Eltern ein Studium
in England, wo ich dann drei Jahre verbrachte und mich über jede Kleinigkeit freute, die mich an meine zweite Heimat jenseits des Atlantiks erinnerte (Safeway, Bagels, Oreos, Starbucks, usw.). Nach meinem Studium folgten der Einstieg in das Berufsleben und später Heirat und Kinder, wodurch ich keine weiteren Besuche in Kanada machte. Aber das Gefühl blieb, ich nenne es „that in between feeling“, dass man hin- und hergerissen ist zwischen zwei Kulturen oder – positiv ausgedrückt – sich in beiden zu Hause fühlt und sich am liebsten gerne zwischen beiden Ländern hin und her beamen würde.
Meine berufliche Umorientierung mit dem Einstieg bei TASTE im Februar 2016 und meiner nun täglichen Arbeit ließen dann den Wunsch in mir aufkommen, nach mittlerweile 15 Jahren meine Gastfamilie und mein zweites Zuhause wiederzusehen. Und so begannen die Planungen für einen Familienurlaub in Kanada im Sommer 2017 mit Rundreise von Vancouver über Vancouver Island in den Banff Nationalpark in den Rocky Mountains und anschließend einem einwöchigen Besuch bei meiner Gastfamilie in New Sarepta. Auch wenn meine Kinder ungefähr genauso geschockt waren, wie ich damals, als wir die scheinbar endlosen (inzwischen allerdings asphaltierten) Landstraßen entlangfuhren („Mama, hier ist ja gaaar nix“) und ich mir Sorgen machte, ob und wie sich meine Gastfamilie
mit meiner Familie verstehen würde, war die Wiedersehensfreude nach so langer Zeit riesig. Es gab ein BBQ (Grillfest) zu unseren Ehren, bei dem ich auch Leute wiedersah, die ich tatsächlich seit meiner Abreise im Juni 1995 nicht mehr gesehen hatte und ich konnte meine High School besichtigen. Viele Erinnerungen kamen wieder und es wurde mir einmal mehr klar, was ich für ein tolles Jahr in einer tollen Gastfamilie hatte. Es war wirklich ein Gefühl des „Nachhausekommens“, denn auch nach all den Jahren hatte ich nicht vergessen, wo mein Locker in der High School war, wie die Telefonnummer meiner Gastfamilie lautet, wo sich was in der Küche befindet und wie man die amerikanischen Waschmaschinen bedient. Mit meinen Gasteltern unterhielten wir uns über alles Mögliche und es war fast so, als wäre ich nie weg gewesen.
Doch wie es so ist: auch der schönste Urlaub ist irgendwann vorbei und die Abreise rückte näher. Und als ich am Abend vor unserem Abflug aus unserem Hotelzimmer auf den Flughafen in Calgary schaute, kam es auch wieder das „in between feeling“. Auf der einen Seite die Freude auf das eigene Zuhause und auf
der anderen Seite die Trauer über den erneuten Abschied auf unbestimmte Zeit. Wahrscheinlich wird dieses Gefühl nie ganz verschwinden und ist im Grunde genommen ja auch ein Zeichen für den großen Einfluss, den
mein Auslandsjahr in Kanada nach wie vor auf mein Leben hat. Und dafür nehme ich es auch gerne in Kauf.
Kommentare
Kommentar veröffentlichen